Die „Tovtevaag” auf Forschungsreise zwischen Mallorca und der Felsinsel Cabrera südlich von Colònia de Sant Jordi gelegen. Dabei dokumentieren die Forscher sämtliche Begegnungen mit Tieren, Müll und Schiffen. | Alnitak

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Allein ihr Alter lässt jede Landratte große Augen machen: Das ehemalige Fischerboot „Tovtevaag” hat 110 Jahre auf dem Rumpf und stemmt sich mittlerweile seit 30 Jahren unermüdlich gegen die Wellen des Mittelmeeres. Die alte Dame stammt aus einem Fischerdorf in Norwegen, hat im Zweiten Weltkrieg unter anderem als Versorgungsschiff ihren Dienst getan und wurde 1989 von der Umweltorganisation Alnitak gekauft und zum Forschungsschiff umgebaut.

Die Tovtevaag ist 110 Jahre alt und war ursprünglich ein norwegisches Fischerboot.

Seitdem sammelt die „Tovtevaag” zusammen mit ihrem Kapitän Ricardo Sagarminaga sowie fünf Besatzungsmitgliedern Daten über das Mittelmeer. Die wohl wichtigsten sind: Das Vorkommen von Müll, die Begegnungen mit Meerestieren und Vögeln sowie das Schiffsaufkommen auf ihren Routen. Besonders oft ist das Schiff zwischen Mallorca und Cabrera unterwegs. Die Crew besteht meist aus Freiwilligen. In den vielen Jahren auf See gab es mehrere Tausend davon aus über 90 Ländern.

Die Jahre, das Meer und die Crews haben Patina auf der „Tovtevaag” hinterlassen. Mit den unzähligen Kratzern und Einkerbungen erzählen die Holzplanken der Reling ihre Geschichte. Einzig das Deck wirkt mit seinem rutschfesten Belag künstlich. Es sind die weinroten Segel, das alte Holzsteuerrad, die Holzumlenkrollen und der Messingkompass, die das Schiff so antik und majestätisch aussehen lassen. Hätte es Kanonen an Bord, und statt der holländischen eine schwarze Flagge mit weißem Totenschädel gehisst, wäre es das perfekte Piratenschiff.

Der Kapitän der „Tovtevaag”: Ricardo Sagarminaga. Er ist außerdem der Gründer der Umweltorganisation Alnitak.

Kapitän Sagarminaga steigt die Holzstufen in die Eingeweide des 18 Meter langen und vier Meter breiten Zweimasters hinab und zeigt auf allerlei Forschungsinstrumente im vorderen Teil des Schiffes. Von diesen ist für Laien sicherlich das Hydrofon am spannendsten. Ein Unterwassermikrofon, das die Geräusche des Mittelmeeres aufzeichnet. Sagarminaga drückt auf ein paar Knöpfe und augenblicklich kommen seltsame Laute aus den kleinen Lautsprechern. „Das sind Pottwale, die sich miteinander unterhalten”, erklärt der Holländer.

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Auf dem Weg in den hinteren Teil des Schiffes liegen die Kojen und eine kleine, aber feine Küche. Der Kapitän kocht hier meistens selbst. „Wenn wir eine Woche unterwegs sind, ist ein gutes Essen die beste Taktik gegen eine Meuterei”, scherzt er im Vorbeilaufen.

Im Heck der „Tovtevaag” befindet sich eine besonders seltsame Forschungsgerätschaft. In mehrere Teile zerlegt zeigt sich dort eine Art Edelstahl-Fisch. An Deck zusammengefügt erinnert er mit seinem breiten Maul und seinen großen Flügeln an einen stilisierten Mantarochen. Der Clou an diesem Metallmonster ist sein Schwanz: Dieser besteht aus einem ungefähr zwei Meter langen feinmaschigen, aber robusten Netzstrumpf.

Einmal zusammengebaut und an einem dicken Tau ins Mittelmeer gelassen, dreht sich die Tovtevaag in den Wind und zieht den Metall-Manta hinter sich her. Dabei schluckt das Ungetüm Hunderte Liter Salzwasser und filtert gleichzeitig alle Schwebstoffe aus dem Wasser in das feinmaschige Netz. Wieder an Bord untersucht und dokumentiert das Team auf einer Art dickem Millimeterpapier seinen Fang. Dabei unterscheiden die Forscher zwischen natürlichen und künstlichen Schwebstoffen. Nach der Auswertung sind rund 40 Prozent der kleinen Kästchen gefüllt mit nur wenigen Millimeter großen bunten Plastikteilchen.

Sagarminaga hält eine Glasflasche hoch. „Hier erkennst du gut, wie sich das Plastik im Meer verhält.” Ganz oben in der Flasche schwimmen zwei bis drei Zentimeter große bunte Kunststofffetzen. Je weiter es in Richtung Flaschenboden geht, desto kleiner werden die Teilchen. „Plastik wird durch Abrieb irgendwann Mikroplastik, und das ist wohl das größte Problem für unsere Meere. Es wird zwangsläufig Teil der Nahrungskette und es gibt keine Möglichkeit mehr, es aus den Gewässern herauszuholen”, erklärt Sagarminaga traurig. Es gibt Studien, die zeigen, dass die Kleinstpartikel mittlerweile sogar in der Muttermilch von Delfinen angekommen sind und so an die Jungtiere weitergegeben werden.

Das zweitgrößte Problem, das die Forscher bekämpfen, ist die sogenannte „Geisterfischerei”. Dabei handelt es sich um Treibgut, also alte Angelschnüre und sonstiger Müll, in dem die Meeresbewohner sich verfangen und verenden. Die Forscher vermuten rund 40.000 dieser Treibgut-Gefahren allein rund um die Balearen, Sardinien und Afrika. Das aktuelle Missionsgebiet von Kapitän Sagarminaga und seiner Besatzung ist das Alborán-Meer. Das ist der westlichste Teil des Mittelmeers zwischen der Iberischen Halbinsel und Nordafrika. Dort ist die „Tovtevaag” bis August unterwegs, um gegen illegale Treibnetz-Fischerei vorzugehen. Danach kommt die Crew zurück in balearische Gewässer, um ihre Forschungsarbeit fortzuführen.