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Als Hitler Ende Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt wurde, begann für viele Schriftsteller die Zeit der Emigration. Sie flohen vor den Nachstellungen des Nationalsozialismus ins Ausland, mitunter bis nach Mallorca. Über die Autoren und Publizisten, die sich in jener Zeit in Cala Rajada und an anderen Orten der Insel niederließen, wie etwa Karl Otten, Franz Blei, Marte Brill, Harry Graf Kessler, ferner Albert Vigoleis Thelen, sind mittlerweile diverse Bücher geschrieben worden. Ein weiterer jener Exil-Schriftsteller ist dabei jedoch von der germanistischen wie historischen Forscherzunft vergessen beziehungsweise ignoriert worden. Es handelt sich um Frank Arnau, den Autor des Anti-Nazi-Romans „Die braune Pest”.

Das Werk erschien 1934 im damals noch unabhängigen Saarland in Form eines Zeitungsromans in der Saarbrücker „Volksstimme”. Die Veröffentlichung machte den Autoren, der schon zuvor den Nationalsozialisten verhasst gewesen war, vollends zur Zielscheibe der braunen Machthaber. Sie entzogen Arnau die deutsche Staatsangehörigkeit, die ihm 1919 zugesprochen worden war.

Wer war Frank Arnau? Der Schweizer Hotelierssohn erblickte 1894 als Heinrich Schmitt das Licht der Welt und begann mit 18 als Gerichts- und Polizeireporter in Wien zu arbeiten. Bis zu seinem Tod im Jahre 1976 veröffentlichte der Schriftsteller 89 Bücher, darunter Zeitromane, Krimis, Theaterstücke, Sachbücher sowie Tausende Reportagen und Berichte in namhaften deutschen Zeitungen.

In seiner 1972 erschienen Biographie „Gelebt, geliebt, gehasst” schrieb Arnau über sich und die Anfangszeit des NS-Regimes:

"Ich stand links, weit links, arbeitete, wo ich nur konnte, gegen alles, was nationalistisch und nationalsozialistisch war. Im Januar 1933 schickte ich meine Frau nach Mallorca, ich ahnte das Kommende."

Drei Monate später ging Arnau selbst über die grüne Grenze ins Exil. Über die Niederlande und Frankreich folgte er seiner Frau Ruth, geborene Rickelt, nach Mallorca. Das Paar war in den späten Jahren der Weimarer Republik durchaus prominent gewesen. Sie als Schauspielerin und Werbe-Ikone für Automobile („Adler Standard 6 – der Wagen der Dame“), er als engagierter Reporter, Krimiautor, Drehbuchschreiber, Werbefachmann und Wirtschaftsberater (ebenfalls für Adler).

Wie und wo das Paar auf Mallorca, vermutlich in Palma, lebte, ist nicht bekannt. Aber dennoch hinterließ Arnau Spuren: So führte eine damals auf Mallorca erscheinende deutschsprachige Wochenzeitung im Juli 1933 ein für jene Zeit noch erstaunlich freizügiges Interview mit dem Emigranten („Auf eine Tasse Tee mit Frank Arnau”). Befragt, warum er sich auf Mallorca aufhalte, ironisierte der Schriftsteller, der Grund für seine Ausreise aus Deutschland sei, „sich zu erholen”.

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Weiter ist zu erfahren, dass Arnau neben einem neuen Zeitroman zwei Filmprojekte plane, die bald in Barcelona beginnen werden und für die er die Drehbücher schreiben solle. Es sei ihm wichtig, gerade im Auslands-Exil aktiv und produktiv zu bleiben. „Wir alle”, wurde Arnau abschließend zitiert, „die wir den Geist der Humanität, des Friedens und der sozialen Demokratie bejahen – und in allen Werken stets bejaht haben, – können nur dem Warten uns hingeben. Tatenlos, allerdings, muss dieses Warten nicht sein ...”

Wie kreativ Arnau auf Mallorca war, belegt ein Gedicht, das der Autor in der Wochenzeitung veröffentlichte. Das ungewöhnlich lange Werk dreht sich einerseits um den landschaftlichen Liebreiz der Insel, andererseits um die politischen Umbrüche, existenziellen Sorgen und Zukunftsängste, die von 1933 an nunmehr den 39-Jährigen sowie Generationen von Gleichgesinnten heimsuchen würden. Arnau verwahrt sich gegen eine jegliche Entmutigung. Sein Gedicht „Inselgedanken” endet mit den Worten:

Sei unverzagt!
Und lebe dieser Insel Wunderzeit
denn kurz ist alle Ewigkeit
und schrecklich lang ist nur dies kurze Leben

Aufgrund der zeitlichen Abfolge ist davon auszugehen, dass Arnau auch Teile seines Romans „Die braune Pest” auf Mallorca schrieb oder zumindest konzipierte. Den Nationalsozialisten war er ohnehin ein Dorn im Auge. In den Dokumenten des NS-Konsulats in Palma ist ein ausgeschnittener Zeitungsartikel erhalten geblieben, in dem es heißt: „37 Verräter aus der deutschen Volksgemeinschaft ausgestoßen”. In der Liste taucht der Name „Heinrich Schmitt, genannt Frank Arnau” auf, eigens von Hand mit Farbstift markiert. Der Verdacht liegt durchaus nahe: Der prominente Autor stand in Palma unter der Beobachtung seiner regimetreuen Landsleute.

Tatsächlich verließ das Ehepaar Arnau Mallorca bald schon in Richtung Festland. Später ist Arnau bei den deutschen Exilmedien „Pariser Tagblatt” und „Pariser Tageszeitung” zu finden, zeitweilig arbeitet der polyglotte Redakteur in Barcelona für die Zeitung „La Noche”. 1936, bei Ausbruch des Spanischen Bürgerkrieges, erlebt der linke Humanist machtlos die anarchistischen Wirren und das Massaker an Priestern mit:

"Schräg gegenüber dem französischen Generalkonsulat lagen Leichen auf dem Trottoir. Manche trugen Zivilkleidung, manche hatten ihre Mönchskutte auf der Flucht aus der Klosterschule durch irgendwelche Mäntel zu tarnen versucht. Zwei Tote trugen noch ihr Ordenskleid."

Arnau wird unter dem Verdacht, ein Spion zu sein, von den Revolutionären festgenommen, später kann er nach Frankreich entkommen. Es folgen weitere Jahre des Exils in Brasilien, erst 1955 kehrt Arnau nach Deutschland zurück, arbeitet später als Journalist für „Stern” und „Münchner Abendzeitung”.

Heute wird der Nachlass des Autors von dem pensionierten Kriminalkommissar und Arnau-Experten Hans-Christian Napp verwahrt. Der Polizeibeamte war über die Lektüre von Kriminalromanen auf Arnau aufmerksam geworden. Fast alle handelsüblichen Krimis, weiß der Kommissar aus eigener Erfahrung, haben mit der Realität der Arbeit der Kripo wenig beziehungsweise nichts gemein. Anders Arnau. „Er ist nahezu der einzige Autor gewesen, der wirklichkeitsgetreue Krimis geschrieben hat.”