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Griechenland, Irland, Italien, Spanien, Frankreich ... Jetzt, an den Feiertagen zum Jahreswechsel, haben die Hiobsbotschaften von den Finanzplätzen des Euro deutlich nachgelassen. Die Finanzkrise ist jedoch nach wie vor am Schwelen und wird die Politiker auch 2012 zu neuen Gipfelkonferenzen treiben.

Angesichts dieser ungünstigen Vorzeichen ist die Lust zum Feiern des Euro-Geburtstages vielen vergangen. Zu mächtig ist die Sorge um die Zukunft der Einheitswährung.

Mit einem solchen Panorama hatten vor zehn Jahren allenfalls die größten Pessimisten gerechnet. Am 1. Januar 2002 wurden die Münzen und Scheine der europäischen Gemeinschaftswährung als Bargeld eingeführt. Die Bürger konnten erstmals mit dem neuen Geld in Geschäften einkaufen, Rechnungen begleichen oder sich Dienstleistungen bezahlen lassen.

Von der damals vorhandenen Aufbruchstimmung ist wenig geblieben. „Wir stecken in einer sehr komplizierten Situation", sagt Toni Riera, Direktor des Wirtschaftswissenschaftlichen Forschungszentrums CRE, das von der Sa-Nostra-Sparkasse und der Balearen-Universität (UIB) getragen wird, mit Blick auf die ökonomische Lage in Spanien und auf Mallorca.

Schuld an der derzeitigen Misere sei jedoch nicht der Euro, sondern allenfalls der Umgang mit ihm in den vergangenen zehn Jahren. „Viele Länder, insbesondere Spanien, waren zu berauscht vom hohen Wachstum, um die notwendigen strukturellen Anpassungen ihrer Wirtschaften in Angriff zu nehmen."

Euro erbrachte für Spanien viel billiges Geld

Ähnlich sieht das Javier Capó, Wirtschaftsprofessor an der UIB. Nach seinen Worten sorgte die Zugehörigkeit Spaniens zur Euro-Zone für viel billiges Geld. Die Zinsen waren deutlich niedriger, und auch die Preise waren dank moderater Inflationsrate stabiler als jemals zuvor. „Es gab plötzlich viele günstige Kredite."

Doch das Geld floss lediglich in den Immobilienbereich, statt dass es in produktives Kapital verwandelt wurde. Weder wurden neue Fabriken errichtet noch wurde in Innovation und Entwicklung investiert. Es wurden vor allem Häuser gebaut. „Aber Häuser kann man weder exportieren noch etwas mit ihnen produzieren. Man kann nur darin wohnen."

Nach Rieras Worten herrschte bei der Euro-Einführung in Spanien vor allem die Sorge vor, ob die Umrechnung von Peseta in die neue Einheitswährung nicht zu kompliziert sei für die Bevölkerung. „Vielleicht haben wir vernachlässigt, welche neuen Spielregeln mit dem Euro auf unsere Wirtschaft zukommen", sagt Riera. Denn die neue Einheitswährung erforderte eine Umstellung der Volkswirtschaften, die auf eine Verbesserung der Produktivität abzielte.

Diese Anpassung erfolgte vor allem in den nördlichen EU-Staaten. Dadurch hatten diese zwar ein geringeres Wachstum in der Beschäftigung, dafür aber ausgeglichenere Haushalte. „Im Süden war es genau umgekehrt."

In Spanien fußte das Wachstum der vergangenen Dekade auf einem Modell mit niedrigen Löhnen und vielen gering ausgebildeten Arbeitskräften, häufig Zuwanderer, die als Handarbeiter etwa auf Baustellen Jobs fanden. „Dieses Konzept musste im europäischen Rahmen letztlich zum Scheitern verurteilt sein."

Warnungen vor der Immobilienblase

Zwar gab es warnende Stimmen, die vor einer „Immobilienblase" warnten. Doch die Dynamik der „Ziegelstein-Option" war zu verlockend für die Privatwirtschaft und den Bankensektor. „Bei jährlichen Renditen von 15 bis 20 Prozent blieb jede andere Alternative zum Investieren dahinter zurück", sagt Capó.

Was fehlte, waren nach Rieras Worten Maßnahmen zum Gegenlenken. Wer eine Ausweitung der konjunkturellen Produktivität forderte, wurde verlacht. „Wozu in Produktivität investieren, wenn die Gewinne im Immobiliensektor so hoch sind wie nirgendwo sonst?!"

Die strukturellen Probleme in Spanien wären nach Rieras und Capós Worten aber auch ohne den Euro früher oder später zum Tragen gekommen. Abgesehen davon sind die beiden Ökonomen voll des Lobes für die Einheitswährung. Speziell Mallorca als Tourismusdestination habe einzig Vorteile davontragen können. Die Umtauschkosten für die Wirtschaft - Hoteliers, Gastronomen, Transporteure - entfielen, der Handel legte spürbar zu, sagt Riera.

Auch die Bedeutung des deutschen Tourismus für Mallorca nahm im vergangenen Jahrzehnt deutlich zu; bedingt durch die gemeinsame Währung. Der britische Tourismus, der auf Pfund basiert, nahm hingegen ab. „Mit dem Euro waren die unvorhersehbaren Kursschwankungen beendet", sagt Capó. Einziger Wermutstropfen: Der stabile Euro verschärfte im Falle Mallorcas die billigere Tourismuskonkurrenz in Nordafrika und der Türkei.

Hat der Euro zu einer Verteuerung des Lebens geführt? Dieser oftmals vorgebrachte Einwand wird von den beiden balearischen Wirtschaftsweisen nicht geteilt. Das wird von den Menschen häufig subjektiv so wahrgenommen, aber die Wirtschaftsdaten sprechen eine andere Sprache. „In der Eurodekade lag die Inflationsrate in Spanien im Schnitt bei jährlich 2,1 Prozent. Das ist sehr moderat und deutlich niedriger als jene 4,5 bis fünf Prozent von vormals", sagt Riera.

Gleiches gilt für die Kreditzinsen. Mit dem Euro lagen sie um bis sechs Punkte unter den Werten vor der Gründung der gemeinsamen Währungszone, „was deutlich mehr war", ergänzt Capó.

Austritt aus der Eurozone wäre ein "Desaster"

Einen Austritt Spaniens aus der Einheitswährung halten die beiden Experten für abwegig. „Das wäre ein Desaster für den gesamten Euro-Raum, denn Spanien ist eine der großen Volkswirtschaften", sagt Riera. Und Capó hält die Kosten eines solchen Rücktritts für so hoch, dass der Schritt unvorstellbar sei.

Was also ist zu tun, um die derzeitige Krise speziell auf Mallorca hinter sich zu lassen? Für Riera sind die Balearen eine gereifte Tourismusregion, die ohnehin Probleme hat, sich den neuen Realitäten im Euroraum anzupassen. „Hier ist lange nichts geschehen." Letztendlich müsse es darum gehen, Abschied zu nehmen von dem Modell, das über Kosteneinsparungen und reduzierte Preise im Wettbewerb zu bestehen versucht.

„Wir müssen einen Mehrwert bei unseren Dienstleistungen schaffen, der auf der Einnahmenseite eine höhere Rendite ermöglicht." Im Klartext: Die Produktivität der touristischen Dienstleistung sei zu maximieren. Das bedeutet: nicht die Kostenschraube noch kleiner drehen, sondern pro Investition ein Mehr an Einnahmen generieren.

Notwendig: Aus- und Fortbildung sowie Innovation

Für Riera müsse dazu vor allem in die Aus- und Fortbildung sowie in Innovation investiert werden. Er ist sich der Problematik bewusst. „Das sind strukturelle Anpassungen, die man mit einem vollen Rucksack leichter angehen kann. Unser Rucksack ist aber halbleer."

Doch was kann eine Tourismusdestination wie Mallorca konkret anpacken? Ein Patentrezept hat auch Capó nicht parat. „Wir dürfen den Tourismus nicht aufgeben, aber wir müssen neue produktive Elemente hinzufügen, etwa im Bereich neuer Technologien." Innerhalb des Tourismus gelte es, neue und diversifizierende Produkte und Dienstleistungen zu kreieren, mit denen die Abhängigkeit von der Sommersaison reduziert werden könne.

Ungeachtet aller Probleme sieht Capó die Zukunft des Euro positiv. Die Währung habe für Preisstabilität gesorgt und werde auch in zehn Jahren das Zahlungsmittel der Eurozone sein. Die europäische Integration habe vor allem in Krisenzeiten ihre größeren Fortschritte absolviert. So, wie etwa nach 1990, als der Ost-West-Konflikt endete und völlig neue Herausforderungen anstanden.

Capó glaubt, dass die Finanzkrise der europäischen Integration neue Impulse liefern werde. Nach seinen Worten wird es ein Mehr an Europa geben, mit einer gemeinsamen Finanzpolitik und der Bildung einer handlungsfähigeren europäischen Regierung. „Manchmal müssen die Dinge sehr schlecht stehen, damit die europäischen Staaten Bereiche ihrer Souveränität abgeben."

Verbraucherorganisation: Euro war doch Teuro

Im Gegensatz zu ausgewiesenen Wirtschaftsfachleuten  hat die spanische Verbraucherschutzorganisation Organización de Consumidores y Usuarios (OCU) sehr wohl eine deutliche Erhöhung der Lebenshaltungskosten seit Einführung des Euro vor zehn Jahren registriert.

Im Vergleich zu den Preisen von damals sei Brot um 85 Prozent teurer geworden. Für Lebensmittel müssten 45 Prozent mehr Geld ausgegeben, für Transport 45 bis 58 Prozent, für Wohnen 66 Prozent zusätzlich.

Nicht mitgehalten hat bei diesen Preissteigerungen die Anhebung der Löhne. Sie liegen, Stand 2009, lediglich um 14 Prozent über dem Wert von 2002. Das heißt, die Gehälter seien noch nicht einmal der Inflationsrate angepasst worden. Diese sei in dem genannten Zeitraum um 22,7 Prozent gestiegen.

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