Auch Heilpflanzen baut Christer Söderberg an. Die Blaue Klitorie (Clitoria ternatea) findet in der Ayurveda bei Ängsten, Schmerzen und Krämpfen Anwendung. | Patricia Lozano

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Christer Söderberg zeigt auf das kaputte Dach seines Gewächshauses. Dann deutet er auf den Boden: „Sehen Sie, Glassplitter, immer noch. Dabei räumen wir seit über einem Monat auf.” Passiert war es beim Unwetter am 29. August 2020 auf Mallorca. Dicke Hagelkörner prasselten auf das Gewächshaus in Bunyola. Über 1000 Glasfenster zerbrachen. Die Splitter fielen auf den Boden und machten ein Großteil der Gemüseproduktion unbrauchbar. „Das ist der Klimawandel”, meint der Schwede. „Wir spüren ihn deutlich auf der Insel.” Fast 40 Jahre lang habe das Gewächshaus dort gestanden, ohne das jemals so etwas passiert sei.

Bei Christer Söderberg und seinem Sozialunternehmen „Circle Carbon” dreht sich alles ums Klima. Sinn und Zweck sei die Verringerung des CO2-Ausstoßes, sagt er. Jetzt sei die Zeit zu handeln, nicht 2030 oder 2050. Die Menschheit steuere auf einen globalen Temperaturanstieg von vier Grad zu. Da werde die Welt unbewohnbar. Lösungen seien da, sie seien relativ einfach und lohnten sich auch ökonomisch.

Für den Social Entrepreneur liegt ein Schlüssel zur Rettung des Klimas im Erdboden. „Wenn wir Kohlenstoff in der Erde speichern, wo er hingehört, statt in der Luft, können wir einen Großteil der Herausforderung meistern.” Verbunden mit der Klimakrise sei der Verlust von Agrarfläche, sagt er. Jedes Jahr gingen zehn Millionen Hektar an fruchtbarem Boden verloren, das sei etwa die Größe von Portugal. Der Mittelmeerraum befinde sich in der Vorstufe zur Verwüstung. „Die intensive Landwirtschaft macht den Boden kaputt und führt zu einem Teufelskreis von immer mehr Düngemitteln, mehr Kosten und Verschärfung des Klimawandels.” Diesen gelte es zu durchbrechen und in einen positiven Kreislauf umzuwandeln.

Der Moringabaum (Moringa oleifera) hat längliche Früchte.
Der Moringabaum (Moringa oleifera) hat längliche Früchte. Die Blätter gelten als Superfood.

Circle Carbon produziert ein auf Pflanzenkohle basierendes Erdsubstrat. Es mache die Erde fruchtbarer und wirke dem Klimawandel entgegen. „Kommen Sie, ich erkläre Ihnen den Prozess.” Auf einem Platz lagern Grünabfälle. Das sei das Grundmaterial. „Wir haben Abkommen mit Gärtnereien geschlossen, dass sie ihren organischen Abfall wie Reste von Baumschnitten und andere landwirtschaftliche Abfälle zu uns bringen.” In einer sauerstoffarmen Umgebung und bei Temperaturen von 400 bis 800 Grad werden die Grünabfälle karbonisiert. Dazu kommen sie in einen nach oben offenen, unten aber dichten Meiler. Auf ein kräftiges Glutbett wird Schicht für Schicht Biomasse aufgeworfen. Das Feuer sorgt für den Luftabschluss nach unten. So verbrennen die unteren Schichten nicht, sondern sie verkohlen. Das Verfahren dauert drei bis vier Stunden und heißt Pyrolyse. Man spricht auch von Verschwelung.

Eingebracht in die Erde bleibe Pflanzenkohle – Söderberg zieht den englischen Begriff Biochar vor – Jahrhunderte lang stabil. So könne es das CO2, das die Pflanzen bereits der Atmosphäre entzogen haben, langfristig im Erdboden speichern.

Pflanzenkohle ist ein Naturspeicher von CO2.
Pflanzenkohle ist ein Naturspeicher von CO2. Außerdem verbessert sie den Boden, denn die hochporöse Kohle wirkt wie ein Schwamm, der Nährstoffe und Wasser aufsaugt und bei Bedarf abgibt.
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Der Schwede nimmt etwas fertiges Biochar in die Hand. „Schauen Sie mal genau hin. Sehen Sie da was?” Viele kleine Poren stecken darin. „Genau.” Biochar sei extrem porös und besitze eine riesige Oberfläche von bis zu 500 Quadratmetern pro Gramm. Dadurch könne es viel Wasser und Nährstoffe aufnehmen. Unbehandelt verbessert Biochar allerdings noch nicht die Bodenqualität. Deshalb wird ein Mix aus organischen Mineralien, Nährstoffen und weiteren Abfällen aus Biomasse zugemischt und alles zusammen kompostiert. Nach sechs bis zwölf Monaten ist der Prozess abgeschlossen. Das Ergebnis ist ein auf Biochar basierendes Substrat, das sie „Terra-Llum” nennen. Auf Mallorquinisch bedeutet „terra” Erde und „llum” Licht. In der Erde fördere es die Mikrobiologie und den Humusaufbau. Das steigere den Ertrag und die Qualität der angebauten Pflanzen ganz ohne Chemie.

Im Gewächshaus kommt das Substrat zum Einsatz. Man meint, die Tropen zu betreten. Papayas, Bananen, Guayaba und Moringa sprießen hier. Ein Demonstrationsbeet zeigt den Unterschied im Anbau mit und ohne TerraLlum. Pflanzen mit dem Substrat tragen mehr und größere Früchte. Im hinteren Teil wächst lokales Gemüse der Saison. „Der Granithagel hat uns drei Monate Ernte kaputt gemacht.” Aber er hat nichts an den Plänen geändert. Ein CO2-negativer Bio-Hofladen soll 2021 öffnen und Boxen mit Gemüse-Obst-Mischungen verkauft werden.

Um Spenden sammeln zu können und das Konzept zu vervielfältigen, ist Söderberg dabei, eine Stiftung zu gründen (www.circlecarbon.com). Er möchte mit immer mehr Landwirten und Gemeinden auf der Insel kooperieren. „Meine Vision ist, dass Mallorca als zirkulares Wirtschaftsmodell bekannt wird mit einer nachhaltigen und resilienten Landwirtschaft.” Das Bewusstsein sei groß. Schon jetzt gebe es fast 1000 zertifizierte Biobauern. Die Erde auf Mallorca sei nicht schlecht, wie immer gesagt werde. Die Mineralien seien drin, aber die Pflanzen könnten sie nicht aufnehmen. „Das Potenzial ist fantastisch, aber wir müssen jetzt handeln”, mahnt er noch einmal.

Unbehandelt verbessert Biochar noch nicht die Bodenqualität.
Ein Mix aus organischen Mineralien, Nährstoffen und weiteren organischen Abfällen wird zugemischt und zusammen kompostiert.

Hintergrund:

Im brasilianischen Dschungel wurde Christer Söderberg für sein Projekt inspiriert. Vor 20 Jahren habe er einen multinationalen Konzern in Brasilien geleitet, erzählt er. In diesem Land seien die größten Firmen der Welt ansässig. Er habe gesehen, wie sie der Erde die Rohstoffe entziehen und den Abfall irgendwo in den Bergen entsorgen. „Da kann ich nicht mitmachen”, habe er sich gesagt und gekündigt. Das war 2002. Er begab sich auf Sinnsuche. Im atlantischen Regenwald von Brasilien pflanzte er Bäume. Dabei stieß er auf eine extrem fruchtbare Erde. „Sie heißt Terra Preta, auf Deutsch schwarze Erde. Was sie auszeichnet, ist der hohe Gehalt an Kohlenstoff.” Fasziniert habe er darüber geforscht, jahrelang, betont er. 2013 sei er nach Mallorca gezogen, weil er die Insel liebe. Seit seiner Jugend kenne er sie. Der Schwede spricht fließend Mallorquinisch neben sieben anderen Sprachen darunter Deutsch. Hier entstand das Konzept für Circle Carbon. Vor zweieinhalb Jahren startete die Produktion.