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Klang-Gourmets kamen beim gestrigen Sommerkonzert auf Schloss Bellver voll auf ihre Kosten, als Joji Hattori energisch zum Taktstock griff und im ausverkauften Innenhof die Zuhörerschaft mit Werken von Johann Strauss, Maurice Ravel, Pablo de Sarasate und Felix Mendelssohn für anderthalb Stunden im vollen, runden Sound der Sinfoniker schwelgen ließ. Der quirlige Japaner, der in Wien ein Feinschmeckerlokal betreibt, sieht sich weder in der Küche noch am Dirigentenpult als Purist, wie er mir vor zwei Jahren im Interview verriet. Von klanglicher Askese, wie sie die historisch informierte Aufführungspraxis zelebriert, hält er nicht viel. Und so lässt er’s denn gerne auch mal richtig krachen, was nicht heißen soll, dass sein Klang pauschal daherkommt; im Gegenteil: Ausgewogenheit ist ebenso ein Merkmal des Hattori-Sounds wie geschmeidige Eleganz.

Dem Wiener Charme in den Dreivierteltakt-Passagen der „Zigeunerbaron«-Ouvertüre, mit der er den Abend eröffnete, konnte man sich schwerlich entziehen. – Für den Solopart in Ravels „Tzigane« hatte er die 38-jährige spanische Geigerin Leticia Moreno an seiner Seite. Die mehrfache Preisträgerin, die mit Orchestern wie den Wiener Symphonikern, den St. Petersburger Philharmonikern und dem Mahler Chamber Orchestra, um nur einige zu nennen, aufzutreten pflegt und bei der Deutschen Grammophon zusammen mit dem London Philharmonic Orchestra unter Andrés Orosco-Estrada eine hinreißende Piazolla-CD aufgenommen hat, entlockte ihrer Nicola Gagliano-Violine von 1762 einen schönen, runden, opulenten Geigenton. Der kam dann in der Carmen-Fantasie von Pablo de Sarasate womöglich noch mehr zur Geltung. Das fünfsätzige Stück sprüht vor Temperament, kennt aber auch elegische Momente, alles auf der Basis von Bizets Melodien, die von der Violine virtuos und mit Witz und Grandezza umspielt werden. Hattori lieferte dazu mit den bestens aufgelegten Sinfonikern einen klangfunkelnden Rahmen. Für den begeisterten Applaus bedankte sich die Geigerin mit einem zart-filigranen Duo für Harfe und Violine ihres Landsmannes Manuel de Falla. So erhielt auch die Harfe, die vor allem im Ravel Exponiertes geleistet hatte, die Gelegenheit zu einer (verdienten!) Zugabe.

Die 4.Sinfonie von Mendelssohn nach der Pause geriet zu einem Manifest italienischer Lebensfreude. Bereits der Kopfsatz, Allegro vivace in lichtem A-Dur, von Hattori in zügigem Tempo genommen, war Plaisir pur und ließ ein Räsonieren über den formalen Aufbau (es ist ein klassischer Sonatensatz) erst gar nicht zu, die Zuhörer wurden förmlich hineingerissen in den Strudel der Italianitá des jungen Komponisten. Das Blech meisterte die vertrackten Tonrepetitionen mit Bravour und sorgte für unwiderstehlichen Drive. Der zweite Satz, Andante con moto, der unter dem Eindruck der Nachricht von Goethes Tod entstanden war, konnte den lebensfrohen Duktus der Sinfonie nur kurzfristig zu nachdenklichem Innehalten bremsen. Das galante Menuett leitete über zum turbulenten Finale, einem presto gespielten Saltarello, einem Springtanz, in dem Hattori und die Seinen noch einmal ihren ganzen Elan, ihre ganze Verve aufboten. Da waren stürmischer Applaus und Bravorufe bereits vorprogrammiert. – Meine Einführung in das Konzert können Sie hier noch einmal nachlesen. – Der Sinfonische Sommer auf Schloss Bellver geht zu Ende mit einer Gala Lirica unter der Leitung von Pablo Mielgo, für die es noch wenige Restkarten gibt.