Die Verordnung muss sich für viele mittellose Menschen wie eine Ohrfeige angefühlt haben. Früher ging der Bürgermeister immerhin ein wenig auf die Betroffenen ein. Sie konnten in ihren Mobilen essen und übernachten, solange sich das Leben der Bewohner nicht auf der Straße abspielte. Und alle zehn Tage musste umgeparkt werden, damit die Leute “nicht zu ansässig würden”. Sprich: Es sollte nicht ersichtlich sein, dass die Menschen dort ihren festen Wohnsitz haben. Als Martínez dieser Tage jedoch beschlossen hatte, die “Verordnung für rücksichtsvolles Verhalten” zu verschärfen, wendete sich das Blatt. Jede Übernachtung in den Mobilen in nicht entsprechend gekennzeichneten Bereichen auf der Straße entspricht einem schweren Regelverstoß und wird mit 750 bis 1500 Euro geahndet.
“Wo sollen wir denn jetzt hin? Wird der Bürgermeister uns ein Zimmer in seinem Haus zur Verfügung stellen?”, fragte ein auf seinen Wohnwagen angewiesener Bewohner ironisch die Reporter der MM-Schwesterzeitung “Ultima Hora”. An einer Siedlung auf einem großen Parkplatz nahe einem Schwimmbad sprach sich die Meldung der Zeitung herum wie ein Lauffeuer. Dort stehen fast 50 Fahrzeuge, fast nur Wohnwagen oder Lieferwagen. “Wir sind nicht zum Vergnügen hier”, fügt die Mutter eines acht Monate alten Kindes hinzu. “Wenn wir hier weg müssen, stehen wir ganz auf der Straße. Einen anderen Wohnraum können wir uns nicht leisten.”
„Ich kann weder Miete noch ein Zimmer bezahlen“, sagt Juan Antonio, ein weiterer Bewohner der Siedlung. „Wir stören hier doch niemanden“, betont er und ist verzweifelt. „Wir müssen hier raus, wir werden alles verlieren. Aber die Okupas dürfen weiterhin in den Häusern bleiben, die sie besetzen. Sie bekommen keine Strafe“ schnauft Juan Antonio empört. Dabei würden die Betroffenen eigentlich nichts „illegales“ machen. „Campingwagen dürfen dort parken, wo andere Autos parken. Wir betreiben kein Camping, wenn wir nichts außerhalb des Fahrzeuges aufstellen. Die können uns nicht herauswerfen“, versucht ein Mann namens Ezequiel seinen Nachbarn Juan Antonio zu beruhigen. Die Betroffenen versicherten, dass sie vom Stadtrat eine Alternative verlangen.
Auch Leser des MM-Magazins sehen die neue Verordnung problematisch. So kommentierte „Mallorcamanni“: Übernachten in "Campern" also Wohnmobilen ist also "populär" geworden!? Populär?? Hört sich nach Freiheit, Abenteuerlust und Spaß an. Tatsächlich ist diese Wohnform aber aus der grassierenden Wohnungsnot geboren worden. Von "populär" kann also keine Rede sein, höchstens bei Surfern, die vorübergehend Ihr Fahrzeug nahe der Wasserkante parken und auch schon mal eine Nacht im Fahrzeug schlafen, um morgens gleich wieder auf Wellenjagd zu gehen. ( … ) Wo sollen in Not geratene Leute, die sich gerade noch ein Campmobil leisten konnten denn künftig schlafen, wenn eine Wohnung nicht mehr bezahlbar war? Unter Brücken? In Hauseingängen? ( … ) Palma - ich kann es nicht erklären, aber ich bin unheimlich gerne zu Gast "in" Dir … ich schlendere durch Deine Gasse, trinke hier und da einen Kaffee und esse zu Mittag und zu Abend. Ich mag Dich einfach ... hoffentlich ändert sich das bei einer Lawine von aus meiner Sicht wenig sinnstiftenden Maßnahmen nicht künftig!"
2 Kommentare
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MallorcamanniDanke, Sie haben es sehr gut kommentiert. Solche Handlungsweise kann man nur als "asoziale Diktatur" bezeichnen. Ergänzung, diese "Vertreiber" wollen auch noch 16 Wohnblocks abreissen lassen, die ""angeblich vor Jahren illegal"" errichtet wurden. Das Verfahren dazu ist noch vor Gericht anhängig. Hoffentlich haben die Richter nach Prüfung der damaligen Rechtslage ein Einsehen, die einfach nach Wechsel der Regierung geändert und damit die Häuser als illegal erklärt wurden. Was ja wohl ein politisches Unding ist. https://www.mallorcamagazin.com/nachrichten/immobilien/2021/04/09/89397/neue-frist-fur-abriss-von-illegalen-hausern-auf-mallorca-gesetzt.html Anmerkung = Was mich schon lange in dieser Camping Angelegenheit wahnsinnig ärgerte und ich auch hier geschrieben habe, ist die despektierliche Haltung der Anwohner gegen über diesen armen Teufeln. Ihnen ist es egal, dass diese Arbeitnehmer sind und keine Penner, deren Dienste sie aber gerne als Gast z.B. in der Gastronomie oder im Handel entgegen nehmen. Womöglich sind sie auch noch Vermieter von Ferienwohungen an Urlauber, was dann der Gipfel wäre? Ärgerlich auch die Haltung der Arbeitgeber, die sich offenbar nicht verpflichtet fühlen, ihren Angestellten bei der Suche einer Unterkunft zu helfen, auch wenn sie ohne diese Helfer ihren Laden zusperren müssten. In Österreich und der Schweiz ist es genau umgekehrt. Aber wen auf Mallorca interessiert das Beispiel?
Es treibt einem die Tränen in die Augen! Statt Lösungen und Hilfe anzubieten, statt konstruktiv auf die Mißstände und Entwicklungen zu denen die Betroffenen ganz sicher nicht beigetragen haben zu reagieren, spricht man Verbote aus. Verordnungen, Bussgelder, Strafen, Verbote, Restriktionen...das sind die Bravourdisziplinen vieler Verantwortlichen in Verwaltung und Politik. Aber es ist und bleibt nicht konstruktiv! Ich an Ihrer Stelle, Herr Martínez, würde mich schämen in dieser Situation derart hilflos sich dieser einfachen "Maßnahmen" zu bedienen. Leider kann ich aus beruflichen Gründen derzeit nicht nach Mallorca kommen sonst würde ich mich gerne mit Juan Antonio, Miguel, Begoña und Inma etc. solidarisieren. Wie es ist, in einem kleinen Zelt oder einem Auto zu übernachten, kann ich durchaus nachvollziehen wenngleich das während meiner ab und an stattfindenden einwöchigen Schweige- und Fastenaufenthalte auf der Insel natürlich freiwillig geschieht. Auch ich störe niemanden und hinterlasse keinen Schmutz aber in einem Fahrzeug zu wohnen, weil auf der Insel kaum noch erschwinglicher Wohnraum vorhanden ist, ist alles andere als angenehm. Diese Verbote sind ein Angriff auf die Menschenwürde und Angriffe erzeugen Gegenangriffe! Ich rufe hier nicht zu Gewalt oder ähnlichem auf aber die betroffenen Menschen sollten sich nicht aus Scham verstecken sondern sich bemerkbar machen und es würde mich nicht wundern, wenn viele andere Mallorquiner, diese wunderbaren Menschen, sich den Wohnungslosen anschließen und sie in ihrem friedlichen Protest unterstützen würden!